Dienstag, 25. Dezember 2012

Keim-Alarm bei amazon.de

Der Beinahe-Endzeit-Szenarien-Liebhaber in mir ist dank dieses E-Books mal wieder auf seine Kosten gekommen:

 
"Die Menschen sagen, die Seele sei rein. Keine Sünde sei an ihr zu finden, keine Scham, kein Hass und nicht die kleinste Verschmutzung kann ihre Unschuld trüben. Die Menschen sagen, die Seele sei rein, solange sie keinen Körper bewohnt, an dem Sünde zu finden ist, Scham, Hass und noch die kleinste Verschmutzung als Zeuge der Schuld."
("Die Keime - Old Souls I" von Julia Mayer)

FRÜHER WAR ALLES BESSER. Das gilt vor allem für die urbane Fantasy-Welt im Debütroman von Julia Mayer. Denn "früher" war das Leben für die Menschen ein ewiger Kreislauf aus Entwicklung und Rückkehr - auf den Tod war die Wiedergeburt in einer höherstehenden Lebensform garantiert.
Doch das ist nun vorbei und im Angesicht der Vergänglichkeit verarbeiten die Menschen ihre Unsicherheit mit Willkür und Grausamkeit gegenüber den Schwächsten des Systems, den sogenannten "Keimen".
Das Konzept bezieht sich auf eine futuristisch anmutende Fantasy-Gesellschaft, die der Kreativität der Autorin entsprungen ist. Die Idee, Frustrationen, Angst und Ausweglosigkeit mit Genozid und Hass zu begegnen, dürfte uns allen aber auch in nicht-fiktiven Zusammenhängen bekannt sein und verursacht beim Leser ein Gefühl der Beklemmung und des Unbehagens, das Faszination ausübt.
Und genau mit diesen Emotionen weiß Mayer auf sehr durchdachte Weise umzugehen. Die Welt, die sie erschaffen hat, wirkt wir ein bizarrer Alptraum, der den Leser in seinen Bann zieht.

Die Figuren - angefangen bei der im Grunde verstörten Protagonistin Avery, die als "Keim" zum Überlebenskünstler werden musste - sind meist vielschichtige Charaktere, die im Allgemeinen die Angewohnheit haben, ihre Unzulänglichkeiten mit Wut zu verdecken. Authentisch werden so komplexe Personen dargestellt, allerdings läuft die Dynamik der Handelnden untereinander an manchen Stellen gerade deswegen Gefahr, etwas redundant zu wirken.
Die Beziehungen sind konfliktbeladene Konstrukte, welche trotz Entrückung in Fantasy-Welten geradezu schmerzvoll bekannte Muster aus dem Alltag aufweisen, die der Mehrheit der Leserschaft (sofern sie Kontakt zu mehr als zwei anderen Menschen in ihrem Leben hatten) bekannt vorkommen dürften.

Der interessanteste Aspekt des Werks - der meiner Meinung nach auch den Charme des Buches zum Großteil ausmacht - ist die von Mayer verwendete Sprache: Nicht alltäglich und nicht unbedingt stetig, was den Schreibstil angeht. Mal ausschweifend metaphorisch, mal kurz und burschikos, so dass in mir beim Lesen doch manchmal die Frage aufkam: Hat sie ihren eigenen Stil noch nicht gefunden oder eben das eigener Stil?
Gewiss gibt es sprachliche Ausdrucksweise, zu denen man schneller Zugang findet - aber wenige, die man so wenig wieder missen möchte, nachdem man sich damit bekannt gemacht hat.
 


Die Autorin selbst gibt an, sich auf "philosophischem" Hintergrund ihre apokalyptisch-anmutende Welt ausgedacht und die Geschichte entwickelt zu haben. Mit Kant oder Nietzsche hat es allerdings nicht viel zu tun, vielmehr hatte ich das Gefühl, das meiste beruht auf gut beobachteten Interaktionen und Dynamiken ihrer Umwelt. Schreiben als Therapie, zur Verarbeitung? Wenn dies der Fall sein sollte, ist vielleicht genau dies das Geheimrezept der Autorin, an das sie sich für die versprochenen Fortsetzung des Keim-Universums halten sollte.

Empfehlen kann ich das Buch vordergründig nicht für Herr-der-Ringe-Fantasy-Liebhaber (zu denen ich mich auf keinen Fall zählen würden, denn ich hab' nich mal die Filme verstanden) oder für eingefleischte Twilight-Fans (zu denen ich mich noch weniger zähle).
Es ist eher etwas für Menschen, die einiges aushalten - und mehr von Büchern erwarten als seichte Unterhaltung!

Wenn ihr also Interesse habt, schaut doch mal auf amazon.de vorbei: Die Keime - Old Souls I, wo das Werk für 2,99 käuflich als E-Book zu erwerben ist.

Und lasst es euch nicht nehmen, auch mal auf dem Blog der Autorin zu begutachten:   Hier wird geschrieben.


 

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